Vom Kindergartenkind zum Schulkind – So gelingt der Wechsel

Vom Kindergartenkind zum Schulkind – für unsere Kleinen ist das ein großer Schritt. Wie wir Schulanfänger in der ersten Zeit nach der Einschulung unterstützen können, haben wir uns von der Grundschullehrerin Marion Brugger erklären lassen. Hier sind ihre Tipps.

Vom Kindergartenkind zum Schulkind

Der Weg vom Kindergartenkind zum Schulkind ist voller einzigartiger, wunderschöner Erfahrungen, aber auch voller Stolpersteine. Doch bevor du Schaufel und Meißel holst und den Weg ebnest, solltest du daran denken, dass genau diese Schwierigkeiten dein Kind wachsen lassen. Alfred Adler, Begründer der Individualpsychologie, meint sogar: „Das Schönste, was eine Fee einem Kind in die Wiege legen kann, sind Schwierigkeiten, die es überwinden muss.“

Was Schulkinder zur Einschulung können sollten, hat Marion Brugger ebenfalls für uns aufgeschrieben.

Das sollen Schulkinder lernen: Selbständigkeit und Organisationsfähigkeit

Um dein Kind auf seinen ersten Schritten als Schüler oder Schülerin bestmöglich zu unterstützen, solltest du vor allem Geduld, Zuversicht und Zeit schenken. Zunächst geht es darum, die Selbstständigkeit und Organisationsfähigkeit deines Kindes zu fördern, denn dies wird zunehmend von den Pädagogen deines Kindes eingefordert.

„Besprechen Sie mit ihrem Kind, was es für den morgigen Schultag benötigt, kontrollieren Sie gemeinsam, ob es all seine Aufgaben erledigt und die Schultasche richtig gepackt hat“, empfiehlt die Grundschuldirektorin Regina Schiefer, „Ein Schulneuling braucht insbesondere im ersten Schuljahr viel unverplante Freizeit, in der Stress und Müdigkeit durch freies Malen oder Spielen abgebaut werden können. Melden Sie Ihr Kind daher nicht zu mehr als zwei Nachmittagskursen an.“

So finden sich Kinder in ihre neuen Rolle als Schüler ein

Die anstrengendste Aufgabe, die dein Kind im ersten Schuljahr erwartet, ist das Einfinden in seine neue Rolle als Schüler oder Schülerin. Du hilfst deinem Kind, indem du versuchst, sein Selbstwertgefühl zu fördern, also das Wissen darüber, wer es ist. Der Gruppen- und Familientherapeut und mehrfache Bestsellerautor Jesper Juul beschreibt das Selbstgefühl als „existentielle Qualität“. „Wir kennen das gesunde, gut ausgeprägte Selbstgefühl als ein Gefühl des In-sich-Ruhens, Sich-Wohlfühlens. Geringes Selbstgefühl wird als konstantes Gefühl von Unsicherheit, Selbstkritik und Schuld erlebt“, so Juul.

In der Grundschule wird dein Kind in eine neue Gemeinschaft aufgenommen. Es nimmt dabei eine Vielzahl an Rollen zugleich ein – die Rolle als Freund oder Freundin, die des Mitschülers oder der Mitschülerin, es ist Schüler oder Schülerin, ganz abgesehen von den Rollen als Sohn oder Tochter, Enkel oder Enkelin… Lass dein Kind daher nicht (nur) von dem erzählen, was es gelernt hat, sondern frage es auch nach seinen Freunden und dem Klassenleben.

Die Kinder nicht nur für schulische Leistungen loben

Viele Eltern berichten, dass ihr Kind wenig von der Schule erzählt und nur in knappen Sätze antwortet, wenn sie es am Nachmittag von der Schule abholen. Keine Sorge, dein Kind braucht einfach selbst ein wenig Abstand und Pause. Sprich es einfach später beim Spielen oder beim gemeinsamen Abendbrot noch einmal darauf an und habe aber auch Verständnis dafür, wenn es gerade nichts erzählen möchte.

Hier findest du hilfreiche Tipps, wie Gespräche mit Kindern klappen können.

Wichtig ist, dass du dein Kind nicht nur für seine schulischen Fähigkeiten und Fertigkeiten als Schüler oder Schülerin lobst. Sieh genau hin und freue dich daran, wie liebevoll dein Sprössling eine Katze streichelt oder mit seinem Bruder spielt, wie hilfsbereit oder aufmerksam er ist, wie freundlich er die Nachbarin grüßt oder wie konzentriert er an seinem Legohaus baut. Als Grundschullehrerin ist es erschreckend zu sehen, wie wenig viele Kinder über ihre eigenen Qualitäten wissen, wenn sie danach gefragt werden.

Konzentrationsfähigkeit und Aufgabenverständnis gemeinsam üben

Neben der Organisationsfähigkeit, Selbstständigkeit und dem positiven Selbstgefühl sind auch die Konzentrationsfähigkeit und das Aufgabenverständnis wichtig für dein Kind. Das sind Fähigkeiten, die du mit deinem Kind gut üben kannst.

„Lassen Sie Ihr Kind Bilder zu einer Geschichte ordnen und die Geschichte dann nacherzählen. Und üben Sie beim Spielen die Simultanauffassung. Ihr Kind soll die Anzahl der Würfelaugen ohne Nachzählen erkennen und sie einer bestimmten Menge zuordnen können“, erklärt Direktorin Schiefer.

Versuche auch zu Hause einen geordneten Arbeitsplatz für dein Kind zu schaffen. Tägliche, wiederkehrende Rituale können deinem Kind dabei helfen, schnell in eine Konzentrationsphase zu finden.

Schreibschrift: Darum ist die korrekte Stifthaltung so wichtig

Ein durchwegs wichtiges Thema, dem von vielen Eltern zu wenig Bedeutung beigemessen wird, ist die korrekte Stifthaltung. Wenn Kinder in den ersten Schulwochen den Spaß am Buchstaben schreiben verlieren, hängt das nicht selten damit zusammen, dass sie schlicht und einfach die Finger verkrampfen und Nacken und Rücken schmerzen.

Im Schulalltag ist der Pädagoge oder die Pädagogin deines Kindes darum bemüht, solche Fehler in der Schreib- und Stifthaltung auszumerzen. Doch nicht immer ist das bei einer hohen Schülerzahl einfach. Achte deshalb bitte darauf, dass dein Kind bei den Hausaufgaben oder beim Ausmalen so sitzt, dass die Füße flach auf dem Boden stehen und die Kniekehlen die Sitzfläche nicht berühren. Zwischen Ober- und Unterschenkel, sowie zwischen Ober- und Unterarm sollte ein 90 Grad Winkel liegen.

Schreiben lernen: Wie geht der Drei-Punkt-Griff?

Bei der korrekten Stifthaltung spricht man vom „Drei-Punkt- Griff“. Dabei liegt der Stift zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger auf dem vordersten Glied des Mittelfingers. Die ungewohnte Bewegung der Hand kann zu Beginn schmerzen, ist aber auf Dauer die schonendste Haltung.

Graphomotorische und feinmotorische Übungen können das Kind dabei unterstützen, die richtige Schreibhaltung einzuüben. Lass dein Kind mit einer Zuckerzange Murmeln von einer Schüssel in eine andere Schüssel sortieren oder Perlen auf eine Schnur fädeln. In weiterer Folge sind Nachspurübungen sinnvoll. Lass dein Kind den Weg durch ein Labyrinth zeichnen oder ein vorgedrucktes Muster nachfahren.

Bitte den Lehrer oder die Lehrerin deines Kindes darum, dir zu zeigen, wie die Buchstaben geschrieben werden. Viele Eltern haben das in ihrer Schulzeit ganz anders gelernt. Dein Kind wird verunsichert, wenn du ihm eine andere Schreibweise zeigst. Linkshändern hilft es übrigens, wenn die Buchstaben statt auf der linken Seite am rechten Heftrand vorgeschrieben werden.

Warum das Lernen der Schreibschrift für die Intelligenz unserer Kinder so wichtig ist, könnt ihr hier nachlesen.

Mein Kind fühlt sich in der Schule überfordert – was tun?

Manchmal kann es sein, dass ein Kind sich mit den vielen neuen Herausforderungen überfordert fühlt. Es zieht sich zurück, wird schnell ungeduldig, zweifelt an seinen Fähigkeiten. „Wenn Eltern bemerken, dass ihr Kind Schwierigkeiten hat, sollte der erste Weg zum Lehrer oder zur Lehrerin des Kindes führen. Es gilt das Kind vor Überforderung zu schützen und gleichzeitig ein „gesundes“ Maß an Forderung zuzulassen. Das ist eine Gratwanderung und bedarf der fachlichen pädagogischen Begleitung aller Erzieher und Erzieherinnen des Kindes“, rät die Grundschuldirektorin Regina Schiefer Eltern, die unsicher sind, ob ihr Kind bereits schulreif ist.

„Geben Sie Ihrem Kind aber Zeit. Prinzipiell bestimmen nicht die Eltern die Schulreife des eigenen Kindes, sondern die Pädagogen. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass Schulreifefeststellungen nur punktuelle Momentaufnahmen sind. Bis Weihnachten sind die Schulneulinge meist zu „richtigen“ Schulkindern geworden. Sollte es danach weiterhin Probleme geben, besteht Handlungsbedarf“, so Schiefer.

Kann ich mein Kind auch nach der Einschulung zurückstellen lassen?

Eine Zurückstellung nach der Einschulung ist eher selten und wird in Deutschland bundeslandspezifisch gehandhabt. Vor dem flexiblen Einschulungsstichtag ist das einfacher. In Niedersachsen gibt es beispielsweise seit diesem Jahr die Möglichkeit, dass Eltern per Brief an die Schulleitung ihr Kind um ein Jahr vom Schulbesuch zurückstellen können.

In immer mehr Bundesländern setzt sich die flexible Schuleingangsphase durch, in der die ersten beiden Schuljahre als Einheit betrachtet werden und somit die Kinder länger Zeit haben, sich in das Schulsystem einzufügen. Meist kann die Klassenlehrerin oder der Klassenlehrer in den ersten sechs Schulwochen eine Zurückstellung eines Kindes beantragen. Manchmal ist dies sogar bis zum 31. Dezember möglich.

Bei Anzeichen von Ängsten oder Überforderung bei deinem Kind solltest du in jedem Fall schnell reagieren. Nur wenn dein Kind Freude an der Schule hat, kann Lernen gelingen. Gerade die Grundschule ist wegbereitend für künftige Lernerfolge, und das meist ein Leben lang.

So stärkst du das Selbstvertrauen deines Schulkindes

Jungen Kindern fällt es oft schwer, eigene Ängste zu erkennen und zu verbalisieren. Hier kann es helfen, wenn du mit deinem Kind „Schule“ spielst. Das darstellende Spiel kann Anstoß für ein Gespräch sein oder auch nur dich in die Beobachtungsrolle schlüpfen lassen. „Ich kann das alles nicht. Ich bin so dumm“- für Eltern sind diese Aussagen aus dem Mund ihres Sprösslings erschütternd.

Stärke dein Kind, indem du ihm Erfolgserlebnisse ermöglichst, sei es beim Sport, beim freien Spiel oder bei kreativen Tätigkeiten. Lass dir von deinem Kind die Aufgabe mit eigenen Worten erklären, nicht vorlesen. Achte darauf, dass Übungseinheiten nicht das Familienleben belasten. Oft wirkt es Wunder, wenn statt Mama und Papa, ein Freund der Familie, Oma und Opa oder die Tante mit dem Kind für ein Diktat üben.

Schulanfänger müssen ihren Platz im Klassenverband erst finden

Bei Problemen im Sozialbereich denke daran, dass dein Kind seinen Platz im Klassenverband erst finden muss. Das dauert eine Weile und kann für die Schüler herausfordernd sein. Versuche eine mögliche Abneigung deines Kindes gegenüber einem Mitschüler oder einer Mitschülerin nicht zu verstärken, sondern zu relativieren. Bedenke, dass dein Kind noch ein paar Jahre im Klassenverband bleibt. Auch du musst lernen, mit Kollegen und Kolleginnen umzugehen und auszukommen. Selten treffen 25 Menschen aufeinander, die einander von Anfang an nur sympathisch sind. Solltest du dennoch Bedenken haben, dass dein Kind mit seinen Mitschülern und Mitschülerinnen nicht gut zusammenarbeiten kann, wende dich an den Lehrer oder die Lehrerin deines Sprösslings.

„Wir müssen uns darauf einstellen, die verborgenen Wunder im Kinde zu sehen und ihm zu helfen, sie zu entfalten“, ist sich die Pädagogin Maria Montessori sicher. Das können wir – Lehrer und Lehrerinnen, Erzieher und Erzieherinnen und vor allem Väter und Mütter – nur gemeinsam schaffen. Das neue Schuljahr ist ein guter Anfang.

Unsere Autorin Marion Brugger arbeitet seit sieben Jahren als Grundschullehrerin in Österreich. 

Bilder: Gettyimages (3), unsplash (2)