Erfahrungsberichte: So läuft es bei uns im Homeschooling

Wie geht es euch im zweiten Lockdown mit dem Homeschooling? Wir haben nachgefragt, ob es dieses Mal besser läuft mit dem deutschlandweiten, digitalen Unterricht. Hier sind einige Erfahrungsberichte von Eltern…

Homeoffice und Homeschooling gleichzeitig geht nicht

Sarah Seeliger ist Gründerin von Librileo. Sie lebt mit ihrem Partner in Berlin und hat drei Kinder im Alter von vier, sieben und neun Jahren.

“Mein Freund und ich organisieren uns so, dass wir uns genau absprechen, uns abwechseln in der Betreuung der Kinder und eine klare Struktur für die Tage im Homeschooling geschaffen haben. Was ich gar nicht kann, ist gleichzeitig Homeoffice machen und die Kinder beim Homeschooling anleiten. Das funktioniert nicht.

Meist sehen unsere Tage so aus, dass wir morgens zusammen frühstücken und dann nicht sofort loslegen mit unserem Programm. Oft haben die Kinder noch einen Moment für sich, wo sie spielen können. Heute haben wir den Schulweg nachempfunden und sind nach dem Frühstück erst einmal um den Block gegangen um ein wenig frische Luft zu schnappen und ein wenig Bewegung zu bekommen.

Danach wird mit dem Homeschooling begonnen. Das haben wir mit den Kindern im Familienrat festgelegt, darüber gibt es auch keine Diskussionen mehr.

Gemeinsam am Tisch arbeitet es sich leichter | Foto: Getty

Das sieht dann so aus, dass wir im Wohnzimmer um einen Tisch sitzen und die Kinder ihre Aufgaben erledigen. Tatsächlich motiviert es die Kinder, dass wir zusammensitzen und zwischendrin auch mal etwas bereden oder ein bisschen Quatsch machen können. Mein Sohn und meine Tochter bekommen jeweils über ein Tool ihre Aufgaben hochgeladen, die sie dann lösen müssen. Das sind meist Arbeitsblätter. Bei meinem Sohn lade ich die erledigten Aufgaben dann wiederum für die Lehrerin hoch. Meine Tochter geht in eine Montessori-Schule und kann selbst wählen, welche der anstehenden Aufgaben sie wann lösen möchte. Zur Orientierung gibt es einen Wochenplan. Ich sende der Lehrerin immer wieder mal Fotos der gelösten Aufgaben und zwischendurch gibt sie Rückmeldung, dass zum Beispiel nicht nur in einem Fach gearbeitet wird, sondern abwechselnd in allen Fächern.

Wir machen dazwischen natürlich auch Pausen. Dann können sich die Kinder ein kurzes Video ansehen oder wir spielen gemeinsam ihr Lieblingsspiel. Ich versorge sie mit Obst und Wasser und nach etwa 15 Minuten kann es weiter gehen. Ich selbst kann in der Zeit nicht arbeiten. Unser Büro von Librileo ist über die Straße gegenüber unserer Wohnung gelegen, was sehr praktisch ist. Wenn mein Freund schließlich die Kinder übernimmt, kann ich dort in Ruhe arbeiten.

Es ist besser als im ersten Lockdown, es läuft auch etwas weniger holprig, aber eine richtige Beschulung via Internet findet für die Kinder nicht statt. Die Konzepte für das Distanzlernen sind nicht ideal… Was sage ich: sie sind eigentlich gar nicht vorhanden! Zwar sind die Lehrer meiner Kinder individuell engagiert, aber trotz allem ist dieser Zustand keine Lösung auf längere Sicht. Wir Eltern sind keine Lehrer und ich weiß oft gar nicht, wie ich etwas pädagogisch vermitteln soll, so dass die Kinder es verstehen. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Dazu kommt, dass weder die Kinder noch die Lehrer geschult sind im digitalen Bereich.

Ich würde mir sehr wünschen, dass die Kinder bald wieder zur Schule gehen können, selbst wenn es nur für wenige Stunden pro Tag ist. Damit wäre mir, wäre uns als Familie, sehr geholfen. Meine kleine Tochter geht weiterhin zur Kita, in die sogenannte Notbetreuung. Ich weiß, es gibt Diskussionen ob man sie bringen soll oder nicht, aber ich sehe nicht, wie Homeschooling für die Großen und die liebevolle Betreuung meiner kleinen Tochter zusammen funktionieren sollen. Für mich schließt sich das aus. Darum haben wir uns entschieden, sie in die Kita zu geben. Wir brauchen diese Hilfe.

Die erste Homeschooling-Phase, im letzten Frühjahr, hat mir bewusst gemacht, wie wichtig es ist, mich selbst zu strukturieren. Dazu gehört z.B. mich schön anzuziehen, mich über Kleinigkeiten zu freuen und der Situation gegenüber gelassen und resilient zu bleiben.

Ich bin Gründerin und habe drei Kinder, da musste ich eine positive Einstellung für mich finden, wie ich Familienleben und Arbeit unter einen Hut bringe, ohne dass es zu Überforderung führt. Doch obwohl ich vielleicht im Moment gelassen klinge, kann ich es nur wiederholen: Ich wünsche mir wirklich sehr, dass die Kinder bald wieder zur Schule gehen können.”

Digital findet immer nur noch ein Bruchteil des Unterrichts statt | Foto: Getty

 

Ich habe mich entschleunigt!

Kerstin Lüking lebt mit ihrer Familie in Berlin und hat 7 Kinder im Alter von 7,9,12,14,16,17 und 26 Jahren

“Ich habe meinen innerlichen Frieden mit der Corona-Pandemie gefunden, denn eins steht fest: Wir können die Situation nicht ändern! Sämtliche Wut- und Enttäuschungsanfälle sind daher Energieverschwendung und komplett für die Miezekatze. Was nun tun? Seinen inneren Frieden damit finden und die Situation retten, indem man eine gewisse Gelassenheit an den Tag legt und das Beste rausholt, was rauszuholen ist. Mal ehrlich, es gibt auch positive Dinge am Homeschooling. Der morgendliche Stress um 6.20 Uhr in der Küche stehen und für alle Pausenbrote schmieren zu müssen, entfällt schon mal. Der Stau im Badezimmer mit keifenden Teenies, die sich um Haargummis und Zahnpasta kloppen, entfällt ebenfalls. Dafür gibt es um 7 Uhr einen Kaffee für mich im Bett und eine halbe Stunde Extra-Zeit, in der ich noch ein paar Seiten in meinem Buch lesen kann.

Danach genüssliches Aufklappen meines Laptops im Schlafanzug, um die ersten Mails zu beantworten. Gegen 8.30 Uhr werden die ersten Kinder wach, die nach und nach ihr Müsli in sich reinschaufeln und sich wortkarg an ihre Schulsachen setzen. Hier und da mal ein kleines Aufmucken, weil mal wieder das W-Lan oder ein Drucker spinnt. Aber grundsätzlich haben wir das hier im Griff, aus dem ersten Lockdown haben wir unsere Konsequenzen gezogen und innerhalb der Familie Optimierungsprozesse eingeführt. Wir genießen das regelmäßige Mittagessen, das wir alle gemeinsam einnehmen. Das hatten wir vorher nie, da gab es immer Etappen-Essen und ein Gewusel, wie in der S-Bahn, da alle pünktlich ihren Hobbies nachgehen mussten. Jetzt gibt es Spaziergänge an der frischen Luft oder sportliche Aktivitäten im Dachgeschoss, wenn eine dieser tollen Sport-Animateurinnen auf dem Bildschirm meinen Kindern etwas vorhüpft und ihr alle nacheifern. 

Ich habe mich tatsächlich seit Mitte Dezember erholt und entschleunigt. Ich habe den Schlaf der letzten Jahre nachgeholt, viel gelesen und Filme geschaut, die ich schon immer mal sehen wollte. Meine Kinder haben dieses letzte Jahr toll gemeistert, keins ist auf der Strecke geblieben. Ich weiß, das ist nicht selbstverständlich und überhaupt nicht die Regel. Ich habe meine Perfektionistin in mir 2020 auf den Mond geschossen und habe entschieden: Es passt alles so! Es ist ausreichend, so wie es ist. Ich habe mich entschleunigt, auch wenn mir das in der Zeitschleife leben manchmal auf den Wecker geht und ich gerne wieder am kulturellen Leben teilnehmen würde. Es wird kommen, ich bin mir sicher. Es wird nicht so wie vorher, es wird anders. Aber das ist vielleicht auch gut so, denn Krisen bringen neue Chancen.”

Pausen einlegen ist sehr wichtig | Foto: Getty

Homeschooling verlangt uns Eltern einiges ab!

Claire Marcussen lebt in Köln. Ihre Kinder sind im Alter von 12, 9, 6, 4, 3, das Baby ist sechs Monate alt.

“Manchmal weiß ich nicht, wo vorne und hinten ist. Im letzen Lockdown kam ich mit meinem 12-Jährigen, der ins Gymnasium geht, und den außerdem anwesenden Kleinkindern oft an die Grenzen: Projektarbeiten, Klassenchats, Videokonferenzen, Arbeitsblätter. Hierfür wurde von Schülern und Schule die Lernplattform „Moodle“ genutzt. Das digitale Lernen setzt Eigenverantwortung voraus, was – vor dem Hintergrund des Leistungsdrucks – mich zur fordernden „Lehrerin“ gemacht hat. Das führte dazu, dass mein Sohn sich später, aus Angst vor einer weiteren Homeschooling-Phase, für das Maske-tragen auf freiwilliger Basis während des Unterrichts entschieden hat.

Da alles noch erprobt und nicht von allen Lehrern gleichermaßen umgesetzt wurde, standen das letzte Mal insbesondere die Hauptfächer im Vordergrund. Diesmal wurde hingegen ein ganzer Wochenplan erstellt, der sich an Schulstunden orientierend ein Aufgabenpensum, sowie festgesetzte Videokonferenzen vorsieht. Dass ich nun zusätzlich meine mit noch fünf Jahren eingeschulte Tochter im Homeschooling betreuen muss, fordert mich weit mehr. Nun soll ich pädagogisch agieren, teilweise neuen Lehrstoff erklären und sitze einem Schulanfänger gegenüber, der völlig überfordert ist. Das frustriert beiderseits.

Heute Morgen haben wir einen Umschlag mit Arbeitsblättern in der Schule abgeholt, die es anhand des Wochenplans zu bearbeiten gilt. Dies erfolgt mithilfe der digitalen Pinnwand „Padlet“, die mit Lerninhalten versehen ist. Insofern bedarf es nicht nur starker Nerven und Geduld, sondern wir brauchen auch mehrere Endgeräte. Ich sitze parallel an meinem Laptop und versuche mich an meinen Texten, was in Abhängigkeit zu Baby und Schulkindern nur stückweise möglich ist und was ich mir anfangs noch einfacher vorgestellt habe. Dankbar bin ich über die wunderbare Kita, die die kleinen Geschwister diesmal zumindest reduziert besuchen dürfen.”

Ohne die ständige Betreuung durch Eltern funktioniert der digitale Unterricht nicht | Foto: Getty

Bei uns klappt es nur mit Hilfe der Omas

Anna Claus lebt mit ihrer Familie in Bad Hersfeld. Ihre Kinder sind 7 und 4 Jahre alt.

“Unser Problem ist, dass mein Mann und ich trotz Lockdown und Schulschließungen arbeiten müssen. Unsere Jobs sind systemrelevant, also arbeitet er ganz normal Vollzeit, ich in Teilzeit. Unsere Tochter geht abwechselnd zu ihrer Uroma und ihrer Oma und macht dort ihre Aufgaben für die Schule. Wir haben Glück, denn sie macht das sehr diszipliniert.

Der Vorteil ist, dass sie erst in der zweiten Klasse ist und wir bei allem noch gut helfen und unterstützen können. Und durch die Hilfe der Omas klappt es auch ganz gut mit dem Homeschooling. Die Aufgaben kommen per Email und wir drucken dann alles aus. Freitags geben wir die Hefte und die ausgefüllten Arbeitsblätter in der Schule ab, wo sie von der Lehrerin korrigiert werden. Am Montag morgen können wir dann alles wieder abholen.

Heute hatten die Kinder das erste Mal eine Videokonferenz, doch leider war die Internetverbindung schlecht und die Übertragung ist immer wieder zusammen gebrochen. Wir Eltern haben der Schule einige Apps vorgeschlagen, mit denen man gut arbeiten könnte, auch solche, die von anderen Schulen schon erfolgreich genutzt werden. Aber da haben wir kein Gehör gefunden. So drucken wir eben jede Woche an die 20 Arbeitsblätter aus.

Wir haben wirklich Glück, dass wir die Omas haben und unsere Tochter noch motiviert ist. Sie sagt selbst, dass es ganz gut läuft. Natürlich ist sie traurig, dass sie ihre Freunde nicht sehen kann, aber dadurch, dass sie immer wieder Abwechslung bei der Betreuung des Homeschoolings hat, und die Omas nicht ganz so streng sind, funktioniert alles ganz gut. Unser Sohn geht in die Notbetreuung in der Kita, denn eine gleichzeitige Betreuung von ihm und Homeschooling mit der Großen zu machen ist kaum möglich.”

Motivieren und diskutieren – das bringt mich an meine Grenzen

Elena ist alleinerziehende Mutter und arbeitet als Erzieherin. Ihr Sohn ist 14 und besucht ein Gymnasium in Wilhelmshaven.

“Unser Jahr startetet direkt mit Homeschooling. Die Schule ist komplett geschlossen und nur die Hauptfächer werden online unterrichtet. Wir habe das große Glück, eine super Elternsprecherin für die Klasse zu haben, die im direktem Kontakt mit den Lehrer steht, alle neuen Infos direkt in unsere Gruppe postet und mit voller Leidenschaft unseren Kindern hilft diese Zeit zu überstehen.

Ich muss normal weiter arbeiten, mein Sohn ist dann alleine zuhause. Von heute auf morgen wird von den Kinder verlangt, selbständig zu sein. Das funktioniert natürlich nicht. Also kommunizieren wir viel über das Smartphone wenn ich arbeiten bin. Ich muss ihn an vieles erinnern und bin praktisch seine „Schulglocke“. Ich muss also nicht nur meinen Plan im Kopf haben, sondern auch auf Nummer sicher gehen, dass mein Sohn alles rechtzeitig schafft. Vor allem das pünktliche Aufstehen, musste sich nach den Ferien erst wieder einpendeln.

Die Lehrer geben Unterricht über Videokonferenzen – allerdings nur in den Hauptfächern. Die Kinder haben dabei das Mikrofon und das Video ausgeschaltet, da sonst die Verbindung überlastet ist. Das ist natürlich auch für die Lehrer frustrierend, denn Fragen können nur per Email gestellt werden.

Die Situation hat dazu geführt, dass die Bereitschaft zum Lernen und die Motivation bei meinem Sohn so gesunken ist, dass ich ihn immer wieder neu motivieren muss. Der Sinn etwas zu lernen, was dann sowieso nicht abgefragt und benotet wird, ist nicht vermittelbar. Es fehlt auch der Vergleich mit den anderen Schülern. Allerdings macht mein Sohn sich schon darüber Gedanken, ob die Zeit und die Art der Beschulung auch Auswirkungen auf sein späteres Abitur haben werden.

Die psychische Belastung ist bei ihm im zweiten Lockdown ist viel größer, denn er hat Angst davor wieder so lange allein zuhause sein zu müssen und seine Freunde nicht treffen zu können. Ich muss einerseits sehr viel Zuspruch leisten und andereseits viel mit ihm diskutieren, was mich an meine Grenzen kommen lässt. Schließlich habe ich auch noch Haushalt und Arbeit zu bewältigen.”

 

Bilder: Gettyimages