Du möchtest dein Kind mehrsprachig erziehen? Vielleicht, weil in eurer Familie verschiedene Sprachen gesprochen werden oder weil du deinem Kind die Tür zu anderen Kulturen öffnen willst. Das kannst du ganz spielerisch machen. Denn gerade die Jüngsten sind wahre Sprachtalente.
Was bedeutet mehrsprachig erziehen?
Mehrsprachig erziehen heißt, dass dein Kind von Geburt an oder in frühen Jahren mit zwei oder mehr Sprachen aufwächst. Du unterscheidest zwischen:
- Simultane Mehrsprachigkeit: Dein Kind lernt von Anfang an mehrere Sprachen gleichzeitig.
- Sukzessive Mehrsprachigkeit: Eine zweite Sprache kommt später dazu.
Die zweisprachige simultane Erziehung kommt am häufigsten zum Einsatz. Hier wachsen Kinder mit zwei Sprachen auf: oft die Muttersprache eines Elternteils und die Landessprache. Familien mit mehr als zwei Sprachen werden besonders in internationalen Großstädten häufiger.

Sprachen trainieren das Gehirn
Zweisprachigkeit unterstützt die kognitive Entwicklung deines Kindes und hat unter anderem diese Pluspunkte:
- Ein besseres Sprachgefühl: Kinder, die mit mehreren Sprachen aufwachsen, entwickeln ein feineres Gespür für Grammatik, Aussprache und Sprachmelodie – auch in ihrer Umgebungssprache.
- Ein tieferes Verständnis für andere Kulturen: Durch den frühen Kontakt mit verschiedenen Sprachen lernen Kinder automatisch auch unterschiedliche Denkweisen, Traditionen und Sichtweisen kennen. Das ist eine wichtige Basis für interkulturelle Offenheit.
- Kognitive Flexibilität und ein besseres Arbeitsgedächtnis: Mehrsprachige Kinder trainieren täglich, zwischen Sprachsystemen zu wechseln. Das stärkt ihre geistige Beweglichkeit und hilft ihnen später beim Problemlösen, Planen und Multitasking.
- Mehr Chancen im späteren Berufsleben: Wer mehrere Sprachen beherrscht, hat auf dem Arbeitsmarkt oft die Nase vorn. Denn interkulturelle Kompetenz und Sprachkenntnisse sind in einer globalisierten Welt gefragter denn je.
Mehrsprachig erziehen: Das sind die häufigsten Modelle
Diese folgenden Modelle gehören zu den gängigsten Ansätzen, mit denen mehrsprachige Erziehung im Familienleben ganz praktisch umgesetzt wird:
- OPOL – Eine Person, eine Sprache: Du sprichst konsequent eine Sprache mit deinem Kind, dein Partner eine andere. Diese Methode hilft Kindern, Sprachen klar zu trennen und emotional zu verknüpfen. OPOL steht für one person – one language. Beispiel: Papa spricht immer Deutsch, Mama immer Französisch.
- ML@H – Minderheitensprache zu Hause: Zu Hause sprecht ihr die Minderheitensprache (oft eure Muttersprache), die Umgebungssprache lernt dein Kind hauptsächlich außerhalb. Beispiel: Eine polnische Familie spricht zu Hause nur Polnisch, Deutsch lernt das Kind im Kindergarten und der Schule.
- Zeit- und Ortsprinzip: Du legst bestimmte Zeiten oder Orte für bestimmte Sprachen fest. Beispiel: Morgens sprechen alle Deutsch, abends Italienisch. Oder: Zu Hause Spanisch, unterwegs Deutsch. Dieses Modell erfordert viel Disziplin.
Mehrsprachige Erziehung am besten früh beginnen
Du kannst schon direkt ab der Geburt starten, wenn du dein Kind mehrsprachig erziehen möchtest. Denn Babys können bestens Sprachmuster erkennen und speichern. Schon im Mutterleib hören sie Stimmen und Sprachmelodien mit. Je früher sie mit mehreren Sprachen in Kontakt kommen, desto natürlicher verankern sich diese im Gehirn.
Dabei gilt: Regelmäßigkeit schlägt Perfektion. Es ist nicht entscheidend, dass du jede Grammatikregel kennst. Wichtig ist, dass dein Kind die Sprache in echten, emotionalen Situationen erlebt. Sprich beim Wickeln, Kuscheln oder Spielen in deiner Sprache. Erzähle, was du tust, singe Kinderlieder oder benenne Alltagsgegenstände. Je authentischer die Sprache im Familienleben verankert ist, desto besser – ganz ohne Druck.
Was tun, wenn dein Kind eine Sprache ablehnt?
Du sprichst Italienisch, dein Kind antwortet aber konsequent auf Deutsch? Keine Sorge, das ist ganz normal. Vor allem, wenn dein Kind im Alltag (z. B. in der Kita oder mit Freunden) fast ausschließlich die Mehrheitssprache hört, kann es sein, dass es diese bevorzugt. Was du tun kannst:
- Bleib liebevoll bei deiner Sprache, auch wenn dein Kind antwortet, wie es will.
- Nutze Rituale wie Gute-Nacht-Geschichten, Lieder, Zähneputzen oder Spiele in deiner Sprache.
- Bringe andere Sprecher ins Spiel. Das können Oma, Opa, Tanten, Onkel oder auch Erzieherinnen wie Au-Pairs sein.
Wichtig ist, dass dein Kind die Sprache emotional positiv verknüpft. Zwang ist kontraproduktiv. Nähe, Spaß und Verbindung wirken viel mehr. Mach dir keine Sorgen: Auch, wenn dein Kind die Sprache eine Zeitlang nicht spricht – allein schon durch das Hörverstehen nimmt es viele Impulse auf und lernt nachhaltig.
Mehr als zwei Sprachen: So geht’s
Vielleicht sprichst du Deutsch, dein Partner Arabisch und ihr lebt in Frankreich. Oder du möchtest deinem Kind zusätzlich Englisch mitgeben. Kinder können problemlos mit drei oder mehr Sprachen aufwachsen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind:
- Jede Sprache hat eine klare Bezugsperson. So lernt dein Kind, Sprache mit Menschen und Emotionen zu verknüpfen. Das hilft bei der Unterscheidung.
- Es gibt regelmäßigen, intensiven Input. Ein paar Wörter pro Woche reichen nicht. Die Sprache muss im Alltag lebendig und präsent sein, z. B. durch Sprechen, Vorlesen, Spielen, Singen.
- Die Umgebung bleibt geduldig, offen und flexibel. Nicht jede Sprache entwickelt sich gleich schnell. Es darf auch mal Phasen geben, in denen eine Sprache dominiert.
Mehrsprachige Erziehung erfordert Zeit, Ausdauer und eine gewisse Konsequenz im Alltag. Wenn der sprachliche Input regelmäßig und alltagsnah stattfindet, kann dein Kind mehrere Sprachen erfolgreich und nachhaltig erwerben.

Kann ich mein Kind zweisprachig erziehen, wenn wir selbst gar nicht zweisprachig sind?
Ja – das ist möglich! Auch wenn ihr als Eltern keine Muttersprachler in mehreren Sprachen seid, könnt ihr eurem Kind trotzdem den Zugang zu einer weiteren Sprache eröffnen. Wichtig ist dabei vor allem die Regelmäßigkeit und Freude am Lernen. Das kann zum Beispiel über Bücher, Lieder, Hörspiele, Filme, Apps oder Sprachspielgruppen geschehen.
Auch bilinguale Kitas, Babysitter oder Tandemfamilien können wertvolle Impulse setzen. Selbst wenn du als Elternteil nur mitlernst oder die Sprache gemeinsam mit deinem Kind entdeckst – allein der frühe Kontakt legt den Grundstein für ein natürliches Sprachgefühl.
Mehrsprachig erziehen kann herausfordernd sein
Auch wenn mehrsprachige Erziehung viele Vorteile bringt, können im Alltag kleinere Hürden auftreten:
- Häufig entwickelt sich eine Sprache stärker als die andere. Das ist ganz normal und hängt oft mit Freundesgruppen zusammen.
- Viele Kinder mischen anfangs die Sprachen („Code Switching“). Das ist kein Fehler, sondern ein Zeichen dafür, dass sie beide aktiv nutzen.
- Manche Kinder sprechen etwas später, holen das aber meist rasch auf. Wichtig ist: Nicht jede Verzögerung ist ein Grund zur Sorge.
Wenn du jedoch das Gefühl hast, dass dein Kind deutlich später als Gleichaltrige spricht, auffällige Grammatik in allen Sprachen zeigt oder kaum auf Sprache reagiert, lohnt sich ein frühzeitiger Blick von außen. Wende dich an deinen Kinderarzt, er kann euch an sprachsensible Logopäden überweisen.
Tipps für den Alltag
Sprich regelmäßig mit deinem Kind in der Sprache, die du ihm weitergeben möchtest – vor allem dann, wenn du dich dabei wohlfühlst. Kinder spüren, wenn Sprache mit Herz gesprochen wird. Gemeinsames Lesen, Singen und Spielen in dieser Sprache schafft Nähe und macht die Sprachwelt lebendig.
Kontakte zu Großeltern, Freunden oder Tandemfamilien sind eine wertvolle Unterstützung. Selbst digitale Angebote können dabei helfen, Sprachräume zu öffnen. Und wenn mal eine Sprache in den Hintergrund rutscht: Gib ihr einfach wieder etwas mehr Raum. Ohne Druck, wenn es für euch passt. Denn Sprache darf vor allem eines sein: eine Freude, die verbindet.
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