Allergien bei Kindern – Tipps und wichtige Infos

Husten, Schnupfen, Heiserkeit – wenn das Kind im Frühling über diese
Symptome klagt, kann eine Allergie dahinterstecken. Wie können Eltern den Unterschied richtig erkennen? Das klären wir hier!

Dr. Nibras Maami und Dr. Florian Babor sind Kinderärzte und vielen vielleicht dank ihres Podcasts “Hand Mund Fuss” ein Begriff. Dort und auf ihrem dazugehörigen Instagram Kanal @handmundfuss informieren sie regelmässig und leicht verständlich zu allen Themen rund um Kindergesundheit. Uns haben sie ein paar wichtige Fragen rund um Allergien bei Kindern beantwortet.

Frühling – nicht alle können diese Zeit wirklich genießen… | Bild: Gettyimages

Luna Redaktion: Dr. Babor, wenn die Eltern Allergiker sind, wird dann auch das Kind sensibilisiert sein? 

Dr. Florian Babor: Die genetische Verknüpfung zwischen Eltern und Kindern ist ein Teil der Erklärung für das Auftreten von Allergien – aber nicht die alleinige Ursache. Es ist in Studien deutlich belegt, dass Kinder ein höheres Risiko haben, eine Allergie zu entwickeln, wenn ihre Eltern betroffen sind. Aber: Wir sprechen nur von statistischen Wahrscheinlichkeiten. Da kann es immer passieren, dass das eigene Kind trotz bester Voraussetzungen dennoch eine Allergie entwickelt.

Ist jedes Kind gleichermaßen anfällig für Allergien?

Dr. Nibras Naami: Zusätzlich zum genetischen Aspekt, spielt ein gesundes Maß an Exposition gegenüber den potenziell allergenen Stoffen eine große Rolle. Das heißt konkret: Wenn Kinder in immunologische Watte gepackt werden, also sehr oft die Hände desinfizieren sollen, nie mit Dreck spielen dürfen und kaum Kontakt zu anderen kranken Kindern haben, dann steigt ihr Risiko für Allergien. Ein gutes Beispiel dafür sind Kinder, die auf dem Bauernhof aufwachsen: Durch den stärkeren Kontakt zu Allergenen in der Luft (z. B. im Heu) und durch das Leben mit Tieren sinkt das Risiko für Allergien – das nennt man den „Bauernhofeffekt“. Gegenteiliges beobachten Experten bei Kindern in eher weit entwickelten Ländern: Hier steigen – durch die hohen Hygienestandards – seit Jahrzehnten die Zahlen der Allergiker. Man kann aus geografischer Perspektive darum sagen, dass ein Kind, welches in Westeuropa aufwächst, ein größeres Risiko für Allergien hat, als ein Kind, das in Indien groß wird.

Wie stehen Sie zum Thema Feinstaub? 

Dr. Nibras Naami: Feinstaub kann auch das Risiko erhöhen, eine Allergie – vor allem Heuschnupfen – zu entwickeln. Je unreiner die Atemluft ist, desto höher ist die Anfälligkeit, Allergien zu entwickeln. Das erklärt, warum Kinder in Städten an stark befahrenen Straßen ein höheres Risiko für Allergien und Asthma haben. Gleiches gilt für Zigarettenrauch. Davon sollte man Kinder immer fernhalten.

Wie verhält es sich bei Heuschnupfen? 

Dr. Nibras Naami: Hier ist es vor allem die Kombination aus genetischer Prädisposition und dem Kontakt zu Pollen und Gräsern. Wenn beide Eltern an Heuschnupfen leiden, sind die Kinder in 50 bis 70 Prozent der Fälle ebenso betroffen. Der Entwicklung eines Heuschnupfens lässt sich nur schwer vorbeugen. Im Gegensatz zum allergischen Schnupfen – zum Beispiel durch Tierhaare oder Hausstaub – kann das Kind beim Heuschnupfen den Kontakt zu den Auslösern nur schwer vermeiden. Und leider wird es zunehmen schwieriger: Hochallergene Pflanzen wie das Aufrechte Traubenkraut fühlen sich hier immer wohler und führen zu einer immer längeren Pollenflugsaison. Experten befürchten, dass in Zukunft ganzjähriger Pollenflug möglich ist.

Was sind denn die Anzeichen für Asthma bei Kindern? 

Dr. Florian Babor: Bei Asthmatikern kommt es beim Kontakt mit dem Auslöser zu zwei Problemen. Erstens: Die Muskulatur der Bronchien verkrampft sich. Zweitens: Es kommt zu einer vermehrten Sekretbildung der Schleimhaut. Beides führt dazu, dass der Hohlraum in den Bronchien, durch den beim Atmen die Luft fließt, immer enger wird. Folglich fällt den Kindern das Atmen schwer, sie atmen angestrengt, stützen zum Beispiel die Hände auf (wie wir es nach einer großen Anstrengung machen würden), sie husten stark, bei der Ausatmung kann ein pfeifendes Geräusch zu hören sein, bis hin zur akuten Atemnot mit Engegefühl in der Brust und Angstzuständen.

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Was ist der Unterschied zwischen einer Allergie und einer Intoleranz?

Dr. Nibras Naami: Der wohl größte und bedeutsamste Unterschied liegt in der Schwere der Reaktion. Bei einer richtigen Allergie können bereits kleinste Mengen eine heftige, teilweise sogar lebensbedrohliche Reaktion auslösen. Bei einer Intoleranz oder Unverträglichkeit werden sehr kleine Mengen noch moderat vertragen oder lösen nur wenige Beschwerden aus. Als Beispiel: Es gibt Menschen mit Laktoseintoleranz, die auch mal für eine Käsepizza etwas Bauchschmerzen in Kauf nehmen würden. Diese Wahl haben Kinder mit einer Erdnussallergie nicht, weil hier jeder Kontakt gefährlich sein kann.

Wie erkennen Eltern eine Lebensmittel- bzw. Nahrungsmittelallergie?

Dr. Nibras Naami: Allergien gegen Nahrungsmittel verursachen häufig Symptome am Ort des Geschehens: im Magen-Darm-Trakt. Bei Säuglingen mit Kuhmilchprotein-Allergie kommt es daher oft zu Blutbeimengungen im Stuhlgang, weil die Darmschleimhaut stark gereizt wird. Durchfall, Erbrechen und Bauchschmerzen sind ebenfalls typisch. Aber auch Nahrungsmittel-Allergien können schwere Reaktionen mit Kreislaufschock und Verengung der Atemwege verursachen. Das hängt dann besonders vom Schweregrad ab. Es ist nicht so leicht, herauszufinden, auf welches Lebensmittel das Kind reagiert. Für eine Erkennung des Auslösers ist es hilfreich, bestimmte Lebensmittel bewusst auszulassen und zu prüfen, ob die Beschwerden dadurch verschwinden. Oft kommt man erst so auf die Spur des Täters.

Wie kann man Lebensmittelallergien vorbeugen?

Dr. Nibras Naami: Wichtig ist, einen frühen Kontakt zu den potenziell allergieauslösenden Lebensmitteln herzustellen. Besonders gut ist das bei der Erdnussallergie belegt. So konnten Forscher feststellen, dass die Gefahr für eine Erdnussallergie bei Kindern jüdischer Abstammung (also mit gleicher genetischer Voraussetzung) deutlich höher war, wenn sie in England aufwuchsen, wo wenig Erdnüsse in die Beikost kommen, als wenn sie in Israel lebten, wo sie kulturell bedingt mehr Kontakt mit Erdnüssen haben.

Das ist ja spannend …

Dr. Nibras Naami: Allerdings. Ähnlich verhält es sich übrigens mit Eiern oder Fisch: Der frühe Kontakt schützt. Gerade wenn die Eltern eine Allergie haben, sollten Kinder frühzeitig Kontakt zu dem besagten Lebensmittel haben. Fragen Sie hierzu bei familiärer Vorbelastung aber immer gerne in der Kinderarztpraxis nach, bevor Sie experimentieren.

Gibt es ein bestimmtes Alter, in dem ein Allergietest durchgeführt werden kann?

Dr. Florian Babor: Ein Allergietest kann in jedem Alter durchgeführt werden. Empfohlen wird er ab dem dritten Lebensjahr. Typischerweise werden zwei Tests unterschieden: Zum einen gibt es den Haut- bzw. Pricktest. Hierzu wird eine spezielle Allergenlösung auf die Haut aufgetragen und an dieser Stelle absichtlich eine kleine Hautverletzung zugefügt. Dadurch kommt das Allergen an der Hautbarriere vorbei und im darunter liegenden Gewebe mit dem Immunsystem in Kontakt. Nach wenigen Minuten kann hier eine Rötung oder Schwellung der Haut auf eine Allergie hindeuten. Eine zweite Option ist der Bluttest: Dabei wird nach Antikörpern, also Abwehrstoffen des Immunsystems gegen ein Allergen, gesucht. Ist der Antikörperspiegel zu hoch, scheint auf Grundlage eines vorherigen Kontakts eine Allergie entstanden zu sein. Das Ausmaß wird in sogenannte RAST-Klassen eingeteilt: von RAST-Klasse 0 = gar keine Reaktion bis zu RAST-Klasse 6 = stärkste Reaktion.

Allergischer Schock: Was tun im Notfall?

Alle Eltern sollten durch einen Erste-Hilfe-Kurs für Kindernotfälle geschult sein – auch wenn das eigene Kind keine Allergie hat. Man denke nur an den Kindergeburtstag, bei dem vergessen wurde, dass sich im Kuchen doch ein paar Nüsse verstecken … Ist eine schwere Allergie beim Kind bekannt, haben Patienten hoffentlich ein Notfallset stets griffbereit: Darin enthalten ist ein Adrenalin-Pen, den man, entsprechend einer einfachen Anweisung, am Arm oder Bein auslösen kann und der voll-automatisch Adrenalin in den Muskel injiziert und damit, potenziell lebensrettend, die allergische Reaktion zum Stillstand bringt. Darüber hinaus gilt wie bei jedem Schock: Ruhe bewahren, Notarzt anrufen, Kind hinlegen und Beine hochlagern sowie die Atmung prüfen. Im Falle eines Atemstillstandes kann eine Mund-zu-Mund-Beatmung oder Herzdruckmassage notwendig sein.

Dr. Nibras Naami und Dr. Florian Babor haben kürzlich einen Gesundheitskompass für Eltern veröffentlicht: „High Five – Die fünf Säulen einer gesunden und glücklichen Kindheit“,
dtv Verlag 2023, 24 Euro

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