Wie funktioniert eigentlich ein Waldkindergarten?

Erziehung, Familie, Kindergarten

Der Wald ist in europäischen Gefilden der Sehnsuchtsort und Ruhepool schlechthin. Gerade erlebt er zu Recht eine Renaissance! Auch Kinder profitieren sehr von der Natur und ganz besonders vom Wald. Und genau davon macht ein Waldkindergarten Gebrauch. Wir haben uns das Konzept mal näher angeschaut…

Schlammfurchen zu Rutschen umfunktionieren, im Herbst durch Laubhaufen rennen, in Wasserpfützen springen und sich dabei von oben bis unten so richtig dreckig machen dürfen – so sehen Kinderträume aus. In einem Waldkindergarten wird genau das Realität. Hier toben die Kleinen den ganzen Tag im Freien – egal, ob es regnet, schneit oder die Sonne scheint. Die Idee hinter dieser Waldpädagogik stammt bereits aus den 1950er Jahren und hat sich von Skandinavien über die ganze Welt verteilt.

Den ganzen Tag im Freien

Wenn es nicht regnet, wird auch im Wald das Mittagessen verzehrt.

Allein in Deutschland zählt der Bundesverband der Natur- und Waldkindergärten inzwischen über 1000 Wald- oder auch Naturkindergärten, in denen Kinder meist im Alter zwischen drei und sechs Jahren fast ihre gesamte Erziehung, Bildung und Betreuung unter freiem Himmel erhalten. Die meisten Waldkindergärten besitzen nicht als einen kleinen Bauwagen oder eine winzige Hütte, wohin sich die Kinder und ihre Betreuer bei sehr schlechtem Wetter oder kurz zum Aufwärmen zurückziehen können. Denn der eigentliche Sinn ist es, dass sämtliche Aktivitäten vom gemeinsamen Morgenkreis bis zum Mittagessen in der Natur stattfinden.

Wetterfeste Kleidung ist ein Muss im Waldkindergarten

Natur mit allen Sinnen erleben

„Die Basis der Pädagogik findet sich im Umgang mit der Natur“, berichtet Susann, die als Mutter von drei Kindern ihren Jüngsten jetzt erstmalig in einen Kindergarten mit einem ähnlichen Konzept in Berlin Kaulsdorf schickt.  „Durch die Gerüche von Moos, Holz oder Blumen, durch Geräusche, verursacht von Tieren, Wind und Laub, oder durch den Wechsel der Jahreszeiten, sei es das Sprießen erster Knospen im Frühling oder Frost als Ankündigung des Winters, werden die Sinne geschärft und wird der Respekt vor der Natur entwickelt. Die Kinder messen ihre Kräfte, wenn sie auf Wurzeln oder im Baum klettern und überwinden Ängste, wenn sie Käfer in die Hand nehmen. Dadurch erfahren sie ihre Grenzen, können sie überschreiten und Selbstbewusstsein aufbauen. Die Erzieher halten sich hierbei absichtlich im Hintergrund und ermöglichen es den Kindern so selbständige Erfahrungen zu sammeln.“

Kreativ werden ohne Spielzeug

Das schult auch die Kreativität der Kinder. So braucht der Sohn von Susanne weder Duplosteine noch Brettspiele oder Puppenhäuser. Viel lieber spielt er mit Laub, Ästen und Steinen, erfindet eigene Geschichten, macht Rollenspiele, backt Matschkuchen und lernt ganz nebenbei seine Umgebung kennen. „Ich merke richtig, wie mein Sohn im Vergleich zu seinen beiden älteren Geschwistern viel entspannter ist. Wenn ich ihn am Nachmittag aus dem Kindergarten hole, hat er sich völlig verausgabt.“
Ein weiterer Vorteil einer solchen Einrichtung: Kinder können hier ihren natürlichen Bewegungsdrang ausleben. Statistisch gesehen haben sie so im Vergleich zu „Stubenkindern“ ein viel besseres Körpergefühl, sind kräftiger und vor allem auch gesundheitlich stabiler.

Kinder müssen sich auch mal eine Schramme holen

Aber was ist mit den Gefahren, die im Wald lauern? Tollwut, Giftpflanzen, Zecken? Natürlich kann niemand ausschließen, dass Kinder eines Waldkindergartens von Zecken oder einem Waldtier gebissen werden, darum ist es um so wichtiger, dass Kinder, aber auch Eltern, gewisse Regeln befolgen. Wildtiere, Beeren oder Pflanzen dürfen nicht ohne Zustimmung angefasst werden, die Kleidung der Kinder muss sorgfältig gewählt werden und alle Kinder müssen die notwendigen Impfungen erhalten haben. Und ansonsten: „Ist es doch auch gar nicht so schlimm, wenn die Kinder sich mal eine Schramme holen. Das gehört zur Kindheit dazu“, sagt Susann und ergänzt dann: „Gespannt bin ich nur, ob mein Kind dann später in der Schule wirklich still sitzen kann. Denn diese Routine fehlt ihm natürlich.“

Ganz nebenbei lernen Kinder etwas über die Natur

Naturverbundenheit fördern

Fragt man Eltern wie Susann nach den Beweggründen, wieso sie ihre Kinder lieber in den Wald anstatt in einen klassischen Kindergarten, indem man schon mit einem Jahr anfängt Englisch zu lernen, schickt, erhält man die fast immer die gleiche Antwort. Man will seinen Kindern in der heutigen so hoch technisierten Welt wieder mehr den Respekt vor der Natur und der Schöpfung und die Liebe zur Erde vermitteln. Denn gerade in den ganz jungen Jahren nimmt man seine Umgebung viel intensiver und unmittelbar mit allen Sinnen war.  Durch den Aufenthalt in der Natur erleben und erfahren die Kinder ihre Umwelt in einer Intensität, die ihr Leben lang prägt. Der Wald und mit ihm die Natur wird als idealer Bewegungsraum und Ort der Fantasie wieder entdeckt. Eine Symbiose von der sowohl Kinder als auch die Umwelt profitieren kann.

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