Viele Geschäfte öffneten in der letzten Woche. Doch gibt es auch ausreichend Corona-Lockerungen für Kinder und Familien? Nein, sagen viele Eltern und machen ihrem Unmut unter dem Hashtag #CoronaEltern Luft. Wir geben einen Überblick über Forderungen und Möglichkeiten.
Text: Kirsten Hemmerde
Die Unternehmerin Tanja Cappell bringt es als frauhoelle auf Instagram auf den Punkt: „Konzentrierte Projektarbeit kann nur noch abends oder am Wochenende stattfinden oder wenn der Mann zwischen seinen Calls den Minimann mal 1-2 Stunden betreuen kann. Das schlaucht nicht nur sondern macht auf Dauer auch müde, gereizt und überlastet.“ Viele Eltern jonglieren in der Coronakrise mit Arbeit, Kinderbetreuung und Haushalt. Doch während es für die Wirtschaft und ältere Schüler seit kurzem erste Lockerungen gibt, haben jüngere Kinder kaum Perspektiven. Wann die Grundschule wieder losgeht? Vielleicht nach dem 4. Mai, aber wahrscheinlich zuerst für die Viertklässler. Kindergarten? Wahrscheinlich länger erstmal gar nicht. Das führt dazu, dass viele Eltern – meist sind es die Mütter – ihre Arbeit reduzieren, den Corona-Lohnersatz in Anspruch nehmen oder ihre Elternzeit verlängern. Auf diese für viele Familien herausfordernde Situation macht die Journalistin Mareice Kaiser mit dem Instagram-Hashtag #CoronaEltern aufmerksam.
Ideen von Freiluft-Kita bis hin zum flexiblen Corona-Elterngeld
Mittlerweile finden sich darunter tausende Beiträge von Eltern, die die Herausforderungen dieser Mehrfachbelastung schildern. Und die Verantwortlichen zum Handeln auffordern. So fragt der Vater papalatics die Politik, ob sie die Eltern vergessen habe: „Oder könnt ihr eure nächste Rede vorbereiten und zeitgleich Kind A beim homeschooling unterstützen und Kind B das Essen zubereiten.“ Kaiser, neue Chefredakteurin des Online-Magazins Edition F, macht konkrete Lösungsvorschläge. Eine ihrer Ideen ist eine Bedarfsgemeinschaft. Hier könnten sich mehrere Familien zusammenschließen und in einer überschaubaren Gruppe drei bis fünf Kinder abwechselnd betreuen. Ein weiterer Vorschlag sind flexible Konzepte für Kitas wie Betreuung an der frischen Luft, Wechselmodelle oder Gruppeneinteilung nach Risikofaktoren. Zudem bringt sie das Corona-Elterngeld ins Spiel, das auch gezahlt wird, wenn Vater oder Mutter weniger arbeiten. Einige dieser Vorschläge werden auch von Experten und der Politik befürwortet.
Regierung hat das Kurzarbeitergeld erhöht
Verbände, Unternehmen und Privatpersonen haben über die Website www.coronaelterngeld.org einen Appell an mehrere Bundespolitiker gerichtet. Darin fordern sie das Corona-Elterngeld, die Aussetzung der Kita- und Hortgebühren sowie eine schrittweise Öffnung der Betreuungseinrichtungen. Die in dem Schreiben angesprochene Bundesfamilienministerin Franziska Giffey kann sich die Öffnung von Spielplätzen unter bestimmten Rahmenbedingungen ebenso vorstellen wie eine Ausweitung der Kita-Betreuungsmöglichkeiten. Dem Fokus sagte sie: „Es geht darum, was nach dem 3. Mai mit den Kindern passiert, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind. Wir brauchen einen konkreten Plan, wie wir die Kinderbetreuung schrittweise wieder öffnen können. Die Arbeitsgruppe gibt eine Empfehlung, am Ende entscheiden die Länder, die dafür auch zuständig sind.“ Maßnahmen, die auch Familien zugutekommen, beschloss die Regierung am 23. April. So wird das Kurzarbeitergeld gestaffelt auf bis zu 87 Prozent für Haushalte mit Kindern angehoben. Schulen erhalten eine Unterstützung von 500 Millionen Euro, um digitalen Unterricht zu fördern.
Je nach Bundesland unterschiedliche Regelungen
Dabei dürfen Eltern gespannt sein, was am Ende im deutschen Föderalismus herauskommt. Denn schon jetzt gibt es bei Schulöffnungen und Notbetreuung deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Während in Sachsen-Anhalt bereits am 23. April wieder Abschlussklassen in die Schule gingen, hat Baden-Württemberg den 4. Mai als Starttermin genannt. Und die Regelungen für die Notbetreuung unterscheiden sich ebenfalls enorm. NRW hat diese Form der Betreuung auch für Kinder von Eltern aus Wirtschaftszweigen wie Tankstellen, Müllabfuhr, Energieversorgung und Hausdiensten geöffnet. Ab dem 27. April dürfen zudem Kinder berufstätiger Alleinerziehender in die Notbetreuung. NRW-Familienminister Joachim Stamp sagte: „Dies ist mir ein großes Anliegen, ich hätte mir eine bundeseinheitliche Regelung gewünscht.“ Spannend ist dabei der Blick über deutsche Grenzen hinweg. Spanien lässt Kinder seit März gar nicht mehr vor die Tür, erste Lockerungen gibt es ab dem 26. April. Italienische Schulen sollen erst im September wieder öffnen. Kinder in Ruanda werden über das Radio unterrichtet.
Tipps für Familien während der Coronakrise
So lange die Politik noch mit konkreten Lösungen auf sich warten lässt, bleibt Eltern nichts anderes übrig, als sich weiterhin selbst zu behelfen. Und zu schauen, welche Lösungen die jeweiligen Bundesländer erlauben. Denn während in Bayern Treffen auch in privaten Räumlichkeiten verboten sind, gibt es für NRW keine solchen Vorschriften. Einen Überblick über die Regelungen nach Bundesland hat Focus zusammengetragen. So kann es auch jetzt schon durchaus möglich sein, dass das eigene Kind mit einem Freund spielen darf. Oder dass Eltern auf das Kind eines befreundeten Paares aufpassen – natürlich immer im sicheren überschaubaren Rahmen. Experten raten zudem zu einem strukturierten Tagesablauf. Das hilft Kindern bei der Orientierung und gibt den Elternteilen gegenseitig Freiräume zum Arbeiten und Abschalten.
Im Netz finden sich zahlreiche Anregungen, um Kinder zu beschäftigen. So bietet die Stiftung Lesen Vorlesegeschichten für unterschiedliche Altersstufen an. Die Polizei NRW stellt Ausmalbilder, Kreuzworträtsel für kleine Ermittler und Videos der Polizei-Puppenbühne zur Verfügung. Sportlich zuhause wird es mit Bewegungsspielen der Sportjugend NRW. Viele #CoronaEltern drücken zurzeit ein Auge zu, was den Medienkonsum angeht. Pädagogisch wertvolle Angebote gibt es unter anderem unter www.planet-schule.de . Die Grundschullehrerin Pamela Fobe ist gemeinsam mit Moderator André Gatzke jeden Werktag von 9 bis 12 Uhr im WDR mit „Der André Unterricht“ auf Sendung. Auch youtube ist eine wahre Fundgrube. Dort veranstaltet Julia Miller-Lissner Musikstunden für Kinder von null bis fünf Jahren (). Der RBB bietet unter „Der rbb macht Fitness“ zwei Mal täglich Sportanregungen, darunter auch Kindertanz oder Familien-Workout.
Bild Giffey: Bundesregierung/Jesco Denzel