Best Buddies: So funktionieren Kinderfreundschaften

Dass Freundschaften auch schon für kleine Kinder wichtig sind, ist den meisten Eltern klar. Aber viele sind unsicher, ob und welche Rolle ihnen als Erziehungsbeauftragte dabei zukommt – abgesehen von der Playdate-Koordination oder der Aufsicht etwa im Kletterwald. Dürfen sie sich einmischen oder sollen sie sich besser raushalten wenn es um die best buddies der Kinder geht?

Unsere Autorin Stefanie Rüggeberg hat mit der Hamburger Kinder- und Jugend-Psychotherapeutin Marion Pothmann, Autorin des Buchs “Kinder brauchen Freunde – Soziale Fertigkeiten fördern”, über die drängendsten Elternfragen gesprochen. Und uns von ihr erklären lassen, welche Bedeutung Freundschaften für die Entwicklung der Kinder haben und wie Eltern ihren Nachwuchs bei diesem wichtigen Schritt ins Leben am besten begleiten können.

Warum sind Freunde für Kinder so wichtig?

Freundschaften sind die ersten Beziehungen, die Kinder sich selbst aussuchen. Schon das macht sie besonders. Mit Gleichaltrigen erwirbt ein Kind Erfahrungen, die es so mit seinen Eltern oder auch Geschwistern nicht sammeln kann. „Freundschaften sind bedeutend für die Entwicklung“, erklärt Psychologin Marion Pothmann. „Die Kinder lernen voneinander, erwerben soziale Kompetenzen wie sich ineinander einzufühlen. Sie bekommen Rückmeldungen für ihr Verhalten, sei es Kritik oder Anerkennung. Das alles stärkt sie.“

Aber ist das Mädchen, mit dem die eigene, dreijährige Tochter neulich im Park eine Stunde eine Höhle gebaut hat, deshalb wirklich bereits eine „Freundin“? Aus Kindersicht sehr wohl – und nur darauf kommt es an. „Bereits die ganz frühen Kita-Freundschaften sind wichtig für das Kind“, sagt Pothmann. „In dem Alter ist ein Mensch, mit dem physisch viel Zeit verbracht wird, ein Freund, auch wenn den Eltern das vielleicht zufällig erscheint. Wenn das Kind die nächste Entwicklungsphase erreicht, definiert es Freundschaften ganz von selbst anders: erst geht es ab der Grundschule verstärkt um gemeinsame Interessen und positive Eigenschaften, mit etwa zehn bis zwölf Jahren um Gefühle, echtes Verständnis füreinander, Vertrauen und ähnliche Werte.“

Wichtig sind Freundschaften nicht zuletzt, weil sie Kindern die Möglichkeit geben, sich selbst zu entdecken und sich einen Raum zu schaffen, in dem Mama und Papa eben keine zentrale Rolle spielen. Das kann Eltern, gerade, wenn die Freunde im Laufe der Jahre immer zentraler werden, teils wehmütig stimmen. Gleichzeitig gibt es ja zum Glück allen Grund, sich über diese Freundschaften zu freuen. Auch aus wissenschaftlicher Sicht. Eine Studie der Texas TechUniversity und der University of Pittsburgh kam nämlich zu dem Ergebnis, dass jemand, der in der Kindheit viel Zeit mit Freunden verbracht hat, später gesünder ist.

Sollen Eltern ihrem Kind beim Freundefinden helfen?

Hier ist das Selbstverständnis der Eltern der Knackpunkt. Sie sollten die Freunde Ihres Kindes weder aussuchen noch gegen seinen Willen Playdates ausmachen. Aber Sie können den Sohn oder die Tochter helfend begleiten, indem Sie soziale Kontakte fördern. „Manche Kinder sind da schüchtern und zögerlich“, so Expertin Marion Pothmann. „Dann sollte man sie nicht zu Verabredungen drängen, sondern ihnen immer wieder mal ein Angebot machen und ermutigen.“

Effektiv kann hier bereits sein, dem Kind die Botschaft „Es ist schön, Freunde zu haben“, vorzuleben. Wie? Indem Sie offen davon erzählen, wenn Sie einen lustigen Abend mit Freunden hatten oder Kummer und Geheimnisse mit ihnen teilen. Doch nicht um jedes Kind, das viel alleine spielt, müssen sich Eltern sofort Sorgen machen. „Da sind die individuellen Bedürfnisse von Kindern sehr verschieden. Manche brauchen viel Input. Andere genießen es sogar, Ruhe zu haben und brauchen nur wenige Kontakte“, erklärt Marion Pothmann. „Handeln sollten Eltern nur, wenn das Kind darüber unglücklich ist.“ Und auch dann empfiehlt die Psychologin, so wenig Druck wie möglich zu machen. Also kein: „Heute gehen wir zur Spielstraße und lernen einen Spielkameraden für dich kennen.“ Sondern lieber ein: „Schau doch mal, ob es dir beim Karate gefällt. Vielleicht ist da jemand dabei, den du nett findest.“

Manchen schüchternen Kindern, erzählt Pothmann aus ihrer Praxis, helfe es, wenn die Eltern das Ansprechen eines anderen Mädchens oder Jungen mit Playmobil-Figuren durchspielten. Doch hier gelte: „Das Üben soll nicht künstlich wirken, sonst ist es kontraproduktiv.“ Außerdem sei es besser, wenn Eltern ihre Kinder nicht mit Aktivitäten zur Freundschaftsförderung überfrachteten. Pothmann: „Neue Hobbys auszuprobieren, ist okay. Aber ein Kind braucht auch zwei bis drei Tage pro Woche, wo es nur spielen und sich mit sich selbst beschäftigen kann.“

Wie viele Freunde braucht ein Kind?

Die Frage ist deshalb gut, weil die Antwort anschaulich zeigt, dass Eltern sich oft zu viel Sorgen machen, wenn es um die Kontakte ihres Kindes geht. Es ist nämlich quantitativ nicht entscheidend, ob es da nun zwei gute Spielkameraden gibt oder das Kind gleich mit der ganzen Klasse befreundet ist. Viel wichtiger ist die gefühlte Qualität. „Genug Freunde hat ein Kind dann, wenn es das selbst sagt und erkennbar zufrieden ist“, unterstreicht Psychologin Pothmann.

„Eltern und ihr Kind nennen bei der Anzahl der Freundschaften oft völlig unterschiedliche Zahlen.“ Will heißen: Während die Eltern ihren Nachwuchs fast schon für einsam halten, zählt das Kind gerne mal 10 bis 20 Freunde auf. Ob das dann alles verbindliche, zuverlässige Verbindungen nach den Vorstellungen eines erwachsenen Freundschaftsbegriffs sind? Vermutlich nicht. „Doch hier kommt es einmal mehr auf die Perspektive des Kindes an“, so Pothmann. „Eltern sollten das gar nicht bewerten, sondern sich mit ihrer Meinung möglichst raushalten und das Kind seine eigenen Erfahrungen sammeln lassen.”

Wie leisten Eltern erste Hilfe bei Freundschaftskonflikten?

Die beste Freundin hat Ihr Kind heute ignoriert, weil sie mit einem anderen Mädchen spielen wollte. Es gab Streit um die Frage, wer zuerst auf das neue Trampolin darf. Oder der Freund Ihres Sohnes hat ihm völlig unerwartet keine Einladung zum Kindergeburtstag gegeben. All diese kleinen Dramen sind in Kinderfreundschaften ganz normal. Ebenso wie die Tatsache, dass Ihr Kind diese Vorfälle in dem Moment, in dem sie passieren, unendlich groß wahrnimmt.

„Dem Kind hilft es am meisten, wenn man erst mal zuhört und seinen Gefühlen begegnet“, erklärt Marion Pothmann. „Im zweiten Schritt ist es gut, alles zu entdramatisieren und ihm zu sagen: Beim nächsten Mal lädt dich dafür vielleicht ein Kind ein, bei dem du das überhaupt nicht erwartet hast.“ Wenn Sie sich alles erzählen haben lassen und merken, dass Ihr Kind möglicherweise den Konflikt befeuert hat, indem es am Trampolin zickig war, können Sie ihm helfen, die Perspektive des Freundes besser zu verstehen: „Stell dir mal vor, jemand würde das zu dir sagen. Würdest du dir das gefallen lassen?“

Aktiv den Konflikt für das Kind regeln sollten Eltern allerdings nicht. Zum einen, weil es für die Kleinen ein wichtiger Schritt ist, nach dem Streit selbst eine Versöhnung hinzubekommen. Zum anderen leiden Eltern in diesen Situationen manchmal mehr und aus ganz anderen Gründen als Sohn oder Tochter. Marion Pothmann: „Vielleicht ist das Kind gar nicht traurig, weil es nicht beim Kindergeburtstag mitfeiern durfte, sondern ärgert sich nur, weil es deshalb am Ende keine Geschenktüte bekommen hat. Kinder haben oft ganz überraschende Denkweisen.“ Dazu gehört übrigens nicht zuletzt, dass die Streithähne häufig schon am nächsten Tag wieder so innig sind, als wäre nie etwas gewesen. Nicht weil sie schauspielern, sondern weil sie die Konflikte tatsächlich ebenso schnell wieder vergessen.

5 Tipps, wie Sie die Freundschaften Ihres Kindes beflügeln

1. PACKEN SIE ES NICHT IN WATTE

Glück, Spaß, Streit, Versöhnung, Trauer – zur Freundschaft gehören alle Facetten. Deshalb müssen Sie Ihr Kind vor den negativen nicht bewahren. Lassen Sie es seine Erfahrungen machen und helfen Sie ihm, indem Sie da sind: zum Zuhören, zum In-den-Arm-Nehmen, zum Verstehen. Nicht zum Managen seiner Freundschaften.

2. GEBEN SIE SEINEN FREUNDSCHAFTEN EINEN RAUM

Kinder brauchen Orte, an denen sie und ihre Freunde ganz für sich sind. Wie toll ist es, wenn Sie helfen, diesen Ort zu schaffen. Sei es in der Gartenlaube, auf dem Speicher oder mit der Erlaubnis, ein Zimmer der Wohnung fürs Wochenende in eine „Erwachsene verboten“- Zone zu verwandeln. Abgesehen davon ist es völlig okay und wichtig, wenn Kinder kleine Geheimnisse mit ihren Freunden teilen, von denen sie sagen: „Das ist aber nur für uns.“

3. ERMUTIGEN SIE IHR KIND ZUR VIELFALT

Die eine beste Freundin oder der eine beste Freund ist toll. Aber viel schöner ist es doch, wenn Ihr Kind von Anfang an lernt, dass man mehrere Freunde haben kann. Dass es völlig okay ist, nicht immer mit denselben zu spielen. Nicht nur, weil Ihr Kind so nicht in die Falle gerät, sich sehr auf eine Person zu konzentrieren. Sondern weil es viel mehr Eindrücke sammeln kann, wenn seine Freunde ganz verschiedene Charaktere mit völlig unterschiedlichen Talenten, Eigenschaften und Spielideen sind.

4. TEILEN SIE IHRE ERFAHRUNGEN

Irgendwo haben Sie bestimmt noch Fotos von Ihren eigenen Kinder-Freundschaften. Oder Geschenke und alte Tagebucheinträge. Teilen Sie das mit Ihrem Kind und nutzen Sie die Gelegenheit, ihm die guten und die schlechten Dinge zu erzählen, die Ihnen in diesen Freundschaften passiert sind und wichtig waren. Heute wie damals.

5. SAMMELN SIE NEUE ERINNERUNGEN

Egal, ob Sie Ihr Kind ermuntern, ein Freundschaftsbuch zu führen, Freundschaftsarmbänder zu weben oder Sie ein Album gestalten, in dem Sie die Fotos aller Ausflüge mit den Freunden sammeln – geben Sie Ihrem Kind das Gefühl, dass Freundschaften etwas Kostbares sind, das man feiern darf und soll.

 

 

Bilder: Gettyimages