Kinder zur Selbstständigkeit erziehen, ist für Eltern eine große Erleichterung. Aber auch den Kindern kommt ihre eigene Selbstständigkeit zu Gute – Erfolge im Alltag stärken das Selbstbewusstsein und ganz nebenbei werden bei vielen kleinen Alltagsaufgaben Dinge wie Grob- und Feinmotorik oder die Fähigkeit zur Problemlösung trainiert.
Die Philosophie “Hilf mir, es selbst zu tun” steht auch hinter der Montessori-Pädagogik. Wir haben mit der Autorin und Pädagogin Jutta Bläsius darüber gesprochen und um Tipps gebeten, wie man das Montessori-Prinzip zu Hause anwendet.
Luna: Was genau steckt denn hinter der Montessori-Lehre?
Jutta Bläsius: Die Montessori-Pädagogik ist ein Erziehungskonzept, dass bei der Geburt beginnt und Kinder bis ins Jugendalter begleitet. “Hilf mir es selbst zu tun” ist der grundsätzliche Ansatz.
Mit entsprechenden Angeboten und Materialien werden die Kinder darin unterstützt sich aktiv am Leben ihrer Umgebung zu beteiligen, sich spielerisch Wissen anzueignen, soziale Umgangsformen zu lernen und sich somit Stück für Stück die Welt zu erobern um schließlich selbstständig und unabhängig vom Erwachsenen zu werden.
Dabei spielen einzelne Entwicklungsstufen, die Montessori als sensible Phasen bezeichnet, eine bedeutende Rolle. Es sind Zeitfenster, in denen das Kind von einer bestimmten Sache gefesselt und besonders aufnahmefähig dafür ist. Es fällt ihm dann sehr leicht, entsprechende Dinge zu lernen. Von 0-6 Jahre spricht Montessori z.B. von der sensiblen Phase für Ordnung, Bewegung und Sprache.
Damit ein Kind sich gemäß seiner sensiblen Phasen entwickeln und seine Individualität aufbauen kann, müssen nach Montessori verschiedene Voraussetzungen gegeben sein. Dazu zählt z.B. die vorbereitete Umgebung, die freie Wahl der Tätigkeit und die Unterstützung durch den Erwachsenen. Seine vorrangige Aufgabe ist es, zu erkennen, dass nicht er es ist, der die Persönlichkeit des Kindes aufbaut, sondern das nur das Kind selbst in der aktiven Auseinandersetzung mit seiner Umwelt dazu in der Lage ist.
Eine wichtige Umgebung für die Kinder ist natürlich ihr eigenes Zimmer. Wie sieht dieses idealerweise nach Montessori aus?
Die vorbereitete Umgebung ist eines der tragenden Prinzipien der Montessori-Pädagogik. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass das Kind aktiv sein kann und sich so mehr und mehr Selbstständigkeit und Unabhängigkeit erobert.
Im Kinderzimmer besteht sie z.B. darin, dass alle Möbel und Gebrauchsgegenstände wie Regale, Tische, Stühle, usw. der Größe des Kindes angepasst sind. Das Bett ist so niedrig, dass es alleine ein- und aussteigen kann. Die Türklinke und Schränke haben einen zweiten, tiefer angebrachten Griff oder können mit einer Kordel am Griff vom Kind selbst geöffnet werden. Die Kleidung des Kindes befindet sich in Körben auf Regalen oder in Schubladen im unteren Bereich des Schrankes. Somit kann er oder sie sich selbstständig anziehen und seine Kleidung wegräumen.
Sorgen Sie für abwechslungsreiches, hochwertiges Spielzeug aus Naturmaterialien, dass dem Interesse (Montessori spricht von sensiblen Phasen) des Kindes entspricht. Alles sollte seinen festen Platz haben, denn dies erleichtert es dem Kind, Ordnung zu halten. Körbe oder Holzkisten mit Fotos des jeweiligen Inhalts helfen beim aufräumen. Vermeiden Sie allzu viele Spielsachen und zu grelle Farben. Achten Sie darauf, Bilder nicht zu hoch aufzuhängen! Begeben Sie sich am besten einmal auf Augenhöhe des Kindes und betrachten Sie aus dieser Perspektive das Kinderzimmer.
Diese Produkte machen den Alltag zu Hause kindgerecht:
Der Alltag eines Kindes findet darüber hinaus ja auch in der gesamten Wohnung statt. Wie können Eltern andere Teile der Wohnung entsprechend gestalten?
Auch hier gilt: alle Gegenstände, die zu täglichen Verrichtungen nötig sind, müssen auf Kindergröße abgestimmt sein und griffbereit in niedrigen Schubladen, auf niedrigen Regalen oder im unteren Bereich von Schränken aufbewahrt werden. So können Kinder sich schon früh aktiv und sehr selbstständig am Familienleben beteiligen und sich in dieser vorbereiteten Umgebung z.B. in der Küche eine kleine Zwischenmahlzeit zubereiten, im Bad alleine die Zähne putzen, im Flur Jacke und Schuhe ohne Hilfe eines Erwachsenen nehmen und anziehen.