Wie hat sich das Leben in der Schweiz und in Deutschland seit der Corona-Krise verändert? Was macht das mit uns und unseren Familien? Jede Woche schreiben sich Claudia Jucker, Journalistin aus der Schweiz, und Uli Morant, Chefredakteurin von Luna, und tauschen sich im Wechsel dazu aus.
Briefe aus der Bubble: Von Corona, Glückskäfern und dem Spagat im Alltag
Liebe Uli!
Vielen Dank für Deine Nachricht aus Berlin. Ich freue mich immer zu lesen, wie es Dir geht und ich bedaure sehr, dass auch Du Deinen Geburtstag unter diesen Umständen nicht wirklich gebührend feiern konntest. Mein geplatzter 40ster liegt jetzt auch schon zwei Wochen zurück und ich habe das Gefühl, mich mittlerweile in ganz anderen Dimensionen zu bewegen. Das habe ich heute Morgen festgestellt, als meine Tochter zu mir sagte, sie hätte das “Sams Buch” doch bereits vor der Corona-Krise fertig gelesen. Stimmt. Die Zeitrechnung ist anders. Es gibt ein davor und ein danach.
Meine Jüngere spricht mittlerweile Corona Virus akzentfrei auf Englisch aus, als wäre es das Normalste der Welt. Vielleicht liegt es daran, dass wir fm4 hören. Das Schweizer Radio SRF Virus möchte sie nicht mehr hören. Sie zeichnet Viren mit scharfen, spitzen Zähnen und fragt mich, ob ich ihr das Wort Corona vorschreiben kann, damit sie es in ihr Notizheft übertragen kann. Zu Tränen gerührt hat sie mich, als sie aus dem Garten zurück kam und erzählte, sie hätte bei jedem Käfer, den sie entdeckt hat gewünscht, dass die Corona-Krise bald vorbei sei. Sie glaubt an Glückskäfer.
Corona bestimmt unseren Alltag
Wenn Du mich fragst, wie es mir geht, finde ich es gar nicht mal so leicht, eine passende Antwort darauf zu finden. Denn ich fühle mich, als hätte ich verschiedene Teile in mir. Jeder fühlt sich anders an. Kennst Du dieses Gefühl, dass Du Zeugin von etwas ganz Schlimmen bist, aber nicht fähig, die Ambulanz zu rufen oder zu handeln?
Ich komme mir vor, wie eine Beobachterin und bin noch nicht wirklich ins Handeln gekommen. Wobei meine Tage um 8 Uhr beginnen und gegen Mitternacht enden. Die Kinder sind nun die dritte Woche zuhause. Die außerordentliche Lage ist da. Wir stecken mitten in einer Pandemie und niemand weiß, wie lange noch. Der Netflix Algorithmus hat mir die gleichnamige Serie noch bis vor Kurzem mit einer 95% Übereinstimmung vorgeschlagen. Heute scheint mir das beinahe sarkastisch.
Die täglichen Breaking News, die steigenden Fallzahlen und die damit verbundenen Schicksalsschläge rauben mir viel Energie. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich zu wenig an der frischen Luft bin. Mag sein. Seit über zwei Wochen habe ich nicht mehr wirklich das Haus verlassen. Mein Mann kauft ein und kocht zweimal pro Tag – letzten Monat war das noch undenkbar. Corona bricht mit alten Rollenbildern. Da er auf Kurzarbeit reduziert worden ist und im kleinen Pensum von zuhause aus arbeitet, ist es für ihn eine schöne Abwechslung und ich schätze seine Kochkünste und das Zusammenkommen am Küchentisch. Es hat also auf jeden Fall auch Vorteile. Wie ist das bei euch?
Me-Time? Dass ich nicht lache!
Das Ungewohnte wird zu unserem neuen Alltag, den wir im Spagat zu meistern haben. Mein Mann und ich teilen uns mit dem Homeschooling auf. Begleitet wird dieser Spagat von einer großen Portion Ungewissheit und der Frage, wo uns das alles hinführen wird. Me-time? Ha! Dass ich nicht lache. Ich vermute, dass kinderlose Menschen zur Zeit darin schwimmen, wie einst Cleopatra in Eselsmilch. Das rede ich mir zumindest so ein.
Dann springt da aber auch immer wieder meine optimistische Seite hoch, die viele positive Aspekte der jetzigen Situation aufwirbelt und viel Licht ins Ganze bringt. Dieser Teil erinnert mich daran den Tag zu genießen und mich aus meiner Abwärtsspirale zu reißen: Hey, jetzt entspann Dich mal und nutze diese außerordentliche Lage. Also setze ich mich mit einer Tasse Tee in die Küche und öffne das Fenster. Die Sonne scheint in mein Gesicht und ein wohliges Gefühl macht sich breit. Einatmen, ausatmen. Meine Tochter huscht an mir vorbei und streichelt meine Wange, als hätten wir für einen kurzen Moment die Rollen getauscht.
Ich überlege mir endlich meine größte Baustelle (Fotoalben der letzten zehn Jahre!) anzugehen und meine geliebten Podcasts in Tranchen zu konsumieren. Sei’s drum. Wir bleiben zuhause und machen das Beste draus. Und wenn uns mal wieder die Decke auf den Kopf fällt, kuscheln wir uns zusammen aufs Sofa, machen Popcorn und schauen The Voice Kids. Ich heule dann vor lauter Rührung und vergesse für einen Moment, was für ein Wahnsinn sich gerade in der Welt abspielt. Aber genau diese Momente sind es, an die wir uns erinnern werden und die uns als Familie zusammen schweißen.
Liebe Uli, ich sende Dir herzliche Grüsse nach Berlin und wünsche Dir trotz großer Herausforderung, dass Du Dir zwischendurch auch ein paar Sonnenstrahlen ins Gesicht scheinen lassen kannst!
Lass von Dir hören. Ich bin gespannt, wie es bei euch so ist und wie es Dir geht!
Bleib gesund!
Beste Grüsse,
Claudia
Hier eine Handvoll Tipps, die mir zur Zeit besonders Freude bereiten:
Persönliche Namensstempel mit viel Liebe gefertigt. Zur Zeit bekommt jede Zeichnung, jeder Brief und jede Postkarte einen aufgedrückt. claudiareese.de
Wenn wir schon so oft die Hände waschen, dann bitte mit Soeder. Naturseife mit Stil und unverkennbaren Düften. Unser Favorit: Black pine.
Wir lieben die Bücher vom renommierten Illustrator Dieter Braun. Via Facebook und Instagram Link stellt er kostenlose Malvorlagen bereit. Für große und kleine Ausmaler*innen.
Das kleine Museum der Digitalen Kunst bietet via live streaming CCC Creative Corona Classes in fünf verschiedenen Sprachen an. Für 6-16 Jahre. Go for it!
Allerliebst ist auch der Kanal der Kinderkunststation aus Berlin. Wir hoffen auf baldigen Nachschub.